Ab wann ist Prüfungsangst nicht mehr normal?

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AB WANN IST PRÜFUNGSANGST NICHT MEHR NORMAL?

Das Tiermedizinstudium ist in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Obwohl der Alltag von langen Lerntagen geprägt ist, scheint man den hohen Leistungsanforderungen, die sowohl von Dozierenden als auch sich selbst gefordert werden, kaum gerecht zu werden. Dass sich vor Prüfungen, auf die man praktisch nie perfekt vorbereitet sein kann, eine gewisse Nervosität und Spannungsgefühle einstellen, scheint sehr normal.

Das Ausmaß dieser Nervosität ist jedoch hinsichtlich Dauer und Intensität sehr individuell: Während manche Personen lediglich eine leichte innerliche Unruhe wahrnehmen, können andere schon Wochen vor einer Prüfung kaum schlafen, erleben massive Ängste, körperliche Beschwerden und Stimmungseinbrüche. Doch wo ist die Grenze zwischen „normaler“ Aufregung und pathologischer Prüfungsangst? Wie erkenne ich, dass ich Prüfungsangst habe? Was kann ich dagegen tun?

Prüfungsangst ist eine starke und anhaltende Angst, die in Prüfungssituationen bzw. in der Prüfungsvorbereitung auftritt. Das Ausmaß der Angst ist dabei den Bedingungen nicht angemessen (Fehm & Fydrich, 2011). Prüfungsangst macht sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar:

Emotionale Ebene: Neben starker Angst, können auch Gefühle der inneren Leere sowie Niedergeschlagenheit auftreten.

Kognitive Ebene: Neben dem typischen „Blackout“ (gedankliche Leere im Kopf), sind die Gedanken häufig geprägt von Katastrophisierungen (z. B. die Prüfung/das Studium niemals zu schaffen, obwohl man bisher gute Studienleistungen erzielt hat). Betroffene können zudem kaum gedanklichen Abstand zu anstehenden Prüfung nehmen. Ständiges Grübeln, Hoffnungslosigkeit und Überforderungserleben („Ich bekomme das nie hin – ich bin zu dumm!“) sind die Folge.

Physiologische Ebene: Prüfungsangst löst Reaktionen des autonomen Nervensystems aus, das heißt, dass das sympathische Nervensystem aktiviert wird („Fight or Flight“). Eine erhöhte Herzschlag- und Atemfrequenz sowie Muskelverspannungen und Schwitzen sind unter anderem die Folge. Auch von Rauschen in den Ohren, Schwächegefühlen, Schlafstörungen, Druck auf der Brust oder Symptome der Derealisation/-personalisation (z. B. Tunnelblick, „Watte in den Ohren“) wird häufig berichtet.

Verhaltensbasierte Ebene: Betroffene Personen gehen unterschiedlich mit Prüfungsangst um. Während manche Betroffene übermäßig viel Zeit für das Lernen aufwenden, prokrastinieren andere aufgrund des starken Überforderungserleben. Im schlimmsten Fall werden Prüfungen vollständig vermieden (z. B. durch Krankmelden). Im Allgemeinen werden alltägliche Aufgaben, soziale Beziehungen oder positive Freizeitaktivitäten häufig vernachlässigt.

Das Erleben einzelner Symptome im Rahmen einer wichtigen Prüfung ist sicherlich normal. Ist das Ausmaß der Prüfungsangst jedoch so intensiv, dass das alltägliche Leben und/oder der Ausbildungsverlauf beeinträchtigt wird, dann spricht man von klinisch relevanten Prüfungsängsten (Fehm & Fydrich, 2011). Konkret bedeutet dies, dass zum Beispiel Freundschaften, Partnerschaften oder auch Studienleistungen aufgrund der Symptomatik gefährdet werden.

Im Vergleich zu anderen Fakultäten leiden Studierende der Veterinärmedizin aufgrund verschiedener Faktoren (z. B. sehr hoher Lernaufwand, leistungsorientierte Persönlichkeitsstruktur der Studierenden; Asghari et al., 2012, Collins & Foote, 2005) am stärksten unter Prüfungsangst (Barthel et al., 2011). Konkret bedeutet dies, dass etwa jede:r dritte Studierende der Veterinärmedizin von Prüfungsangst berichtet (Ehrich et al., 2020).

Falls du unter ausgeprägter Prüfungsangst leidest, kommt nun die gute Nachricht – es gibt Wege, damit gut umzugehen! Folgend kommen drei Tipps, die dir dabei helfen können, mit deiner Prüfungsangst umzugehen:

  1. Mache dir einen strukturierten Lernplan und verabrede dich zum Lernen mit anderen!

Prüfungsangst vermittelt einem oft das Gefühl, vor einem unbezwingbaren Berg zu stehen. Das Überforderungserleben, dass dadurch entsteht, macht uns hoffnungslos und lässt uns „einfrieren“. Durch Prokrastination wird Angst kurzfristig vermindert (durch Ablenkung von der Prüfung), langfristig wird das Überforderungserleben aber verstärkt (Lernzeit wird weniger). Es kann helfen, gemeinsam mit deinen Kommiliton:innen deine Lernstrategien zu überprüfen und einen Lernplan aufzustellen. Dadurch kannst du den Weg, denn du gehen musst, um den Berg zu erzwingen, erkennen und einzelne Etappe werden sichtbar.

  1. Schaffe Ausgleich, um mit frischem Wind und freiem Kopf lernen zu können!

Um den Lerninhalt zu verarbeiten und ins Gedächtnis zu konsolidieren, benötigen wir Pausen und Ruhezeiten. In einer großen Meta-Analyse konnten Zhang, Li & Wang (2022) beispielsweise zeigen, dass regelmäßiger Sport Prüfungsangst deutlich reduzieren kann. Im Allgemeinen solltest du in deinen Lernplan regelmäßige Pausenzeiten einplanen – treffe dich mit Freunden, gehe deinen Hobbies nach. Durch geplante positive Aktivitäten kannst du dein Stresslevel reduzieren und bist wieder in der Lage, dich auf die Lerninhalte zu konzentrieren.

  1. Lass dich professionell unterstützen!

Falls deine Prüfungsängste so stark ausgeprägt sind, dass nichts davon hilft, dann wende dich an die psychotherapeutische bzw. psychosoziale Beratungsstelle deiner Universität. Hier gibt es Fachexpert:innen, die dir ganz individuell helfen können, deine Ängste zu überwinden! Prüfungsangst entsteht durch viele verschiedene individuelle Faktoren. Das ist nichts Schlimmes

Asghari, A., Kadir, R. A., Elias, H., & Baba, M. (2012). Test anxiety and its related concepts: A brief review. Education Sciences and Psychology, (3), 3-8.

 

und kann gut behandelt werden – suche dir professionelle Unterstützung.

Prüfungsangst-Check: Vernachlässige ich andere wichtige Lebensbereiche aufgrund meiner Prüfungsangst stark? Fällt es mir schwer zu lernen oder an einer Prüfung teilzunehmen, weil ich so große Angst davor habe? Erlebe ich viele der beschriebenen Symptome, wenn Prüfungen anstehen?

 

 

Barthel, Y., Ernst, J., Rawohl, S., Körner, A., Lehmann, A., & Brähler, E. (2011). Psychosoziale Situation von Studierenden – Beratungs- und Behandlungsbedarf und Interesse an Psychotherapie. Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaften, Psychologische Medizin, 9(2), 73-83.

Collins, H., & Foote, D. (2005). Managing stress in veterinary students. Journal of Veterinary Medical Education, 32(2), 170-172.

Ehrich, F., Tipold, A., Ehlers, J., & Schaper, E. (2020). Untersuchung zur Prüfungsvorbereitung von Studierenden der Veterinärmedizin. Tierärztliche Praxis, 48(1), 15-25.

Fehm, L., & Fydrich, T. (2011). Prüfungsangst [Test anxiety]. Göttingen, Germany: Hogrefe.

Zhang, X., Li, W., & Wang, J. (2022). Effects of Exercise Intervention on Students’ Test Anxiety: A Systematic Review with a Meta-Analysis. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19, 6709.

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